Deutschland war einmal ein Auswandererland. Vor genau 200 Jahren sind Schwaben aus unserer Gegend in den Kaukasus ausgewandert. Religiöse Außenseiter wollten den Weltuntergang in der Nähe des Ararat erleben, die meisten aber wollten dem Hunger entkommen. Das Tübinger Stadtmuseum hat ihnen eine Ausstellung gewidmet, die jüngst in Gegenwart vieler Nachkommen eröffnet wurde. https://www.tuebingen.de/stadtmuseum/17728.html.
Ich habe mich gefreut, dass ich Christiane Hummel begrüßen konnte, die mit ihrem Mann Gert Hummel die evangelische Gemeinde wiederbegründet hatte. Mit ihm als Präsidenten der Paul-Tillich-Gesellschaft hatte ich etliche Tagungen organisiert und 2002 eine Gruppe nach Georgien geführt.
Der christliche Glaube in seiner lutherischen Tradition lebte trotz Verbots im Untergrund weiter. Kleine Gemeindegruppen hielten sich, zwar ohne Geistliche, wohl aber mit engagierten Gläubigen, bis zur Zeit der Perestroika. Bereits 1991 hatten sich mit dem Zerfall der Sowjetunion in Georgien vorwiegend deutschstämmige Lutheraner vereinzelt gesammelt. Auf diese Gemeindegruppen stieß der schwäbische Pfarrer Gert Hummel, als er als Professor der Universität des Saarlandes in Tiflis arbeitete. Nach seiner Emeritierung baute er aus eigenen Mitteln und Spenden seiner Freunde eine Kirche mit Gemeindezentrum, Altenheim und Diakoniestationen. 1998 zog Hummel mit seiner Frau nach Tiflis und übernahm als Pfarrer die dortige Kirchengemeinde. Ein Jahr später wählte ihn die georgische Regionalsynode zum Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien.
Die Schicksale der Auswanderer hat er mit Peter Haigis geschildert in dem Buch „Schwäbische Spuren im Kaukasus“ (Sternberg-Verlag 2002) Leider starb er überraschend 2004 mit 71 Jahren.
In der Kirche in Georgien arbeiten sechs Pastoren und ein Lektor. Zu ihr gehören sieben registrierte Gemeinden mit etwa 700 Mitgliedern. Sie werden von der württembergischen Landeskirche unterstützt.
Die georgischen evangelisch-lutherischen Gemeinden gehen meist auf jene Schwaben zurück, die – wie die zaristische Regierung geplant hatte – nach schwierigsten Anfängen blühende Gemeinwesen aufbauten.
„Der sprichwörtliche Schwabenfleiß schuf, trotz mancher Rückschläge durch Epidemien, persische und tatarische Überfälle oder Missernten, im Laufe der Jahrzehnte ein blühendes Gemeindeleben und Wohlstand für alle, beispielhaft für das ganze Land. Zu Beginn der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts lebten etwa 50.000 Deutschstämmige in Südkaukasien, die Mehrheit davon in Georgien.“
Im Ersten Weltkrieg begannen Feindseligkeiten, als auch die georgischen Deutschen zu Feinden erklärt wurden. Der kirchenfeindliche Kurs der Bolschewiki tat ein Übriges, der im stalinistischen Terror seinen Höhepunkt fand. Kirchen wurden geschlossen und zerstört, jede Art religiöser Betätigung verboten, Pfarrer und Gemeindeglieder gezielt verfolgt, verhaftet, verbannt und auch getötet.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die ca. 45000 Deutschen nach Kasachstan und anderswohin deportiert. Einige, die zurückgekehrt sind und sich im Gemeinschaftshaus Bolnisi treffen, konnte ich sprechen. Wäre mein Schwäbisch besser gewesen, hätte der Verständigung nichts im Wege gestanden. Hochdeutsch hingegen können sie nicht. Vgl. http://www.ev-luth-kirche-georgien.de/