Etwa 10 km entfernt von unserer Wohnung in Stade wurde im Juli 1967 ein Atomkraftwerk geplant. Protest gab es kaum, es galt ja als sicher. Wo wir als Kinder am Elbestrand Bassenfleth gebadet hatten, wurde nun ein Industriegebiet hochgezogen. Ich studierte in jener Zeit schon in Berlin. In der linken Studentenbewegung träumte man sogar von einem Sozialismus mit Atomkraft. In der evangelischen Jugendarbeit allerdings hatte unser Schülerpastor Horst Hirschler schon gewarnt: Die Endlagerung, verharmlosend „Atommüll“ genannt, sei nicht gesichert. Trotzdem wurde das „Kernkraftwerk Stade“ KKS von 1972 bis 2003 betrieben. Derzeit befindet es sich im sogenannten Rückbau. Er dauert länger als geplant. Die immensen Kosten können nur geschätzt werden. Ursprünglich waren 500 Millionen veranschlagt, jetzt geht man von einer Milliarde Euro aus.
Seit dieser Zeit engagiere ich mich mal stärker, mal biografisch und beruflich bedingt weniger gegen die Atomindustrie, die uns wieder weismachen will, dass Atomstrom sicher und rentabel sei. Meine Informationen beziehe ich häufig aus dem „ausgestrahlt magazin“.
https://www.ausgestrahlt.de/themen/atomindustrie/atomfabrik-lingen-schliessen.
Wenig Aufmerksamkeit findet der andauernde Skandal, dass die deutsche Politik allem Gerede von Sanktionen zum Trotz mit Russland weiterhin atomare Zusammenarbeit betreibt. Datum habe ich den Aufruf „Atomfabrik Lingen schließen – keine Geschäfte mit Rosatom“ jetzt unterschrieben. Bis zum 3. März können Einsprüche gegen den Ausbau beim niedersächsischen Umweltministerium eingelegt werden. Es eilt also. Den Aufruf kann man auch im Internet unterzeichnen.
„Der Einstieg Russlands zeigt ein weiteres Mal die Gefahren der weiter bestehenden Atomanlagen. Durch „rosatom“ verdient Russland weiter an der europäischen Atomindustrie und gewinnt trotz des Krieges strategisch an Einfluss und kann ganz nebenbei Sanktionen unterlaufen. Als strategisches Instrument des Kremls schafft Rosatom jahrzehntelange geopolitische Abhängigkeiten. Diese beruhen auf der Förderung der Atomenergie, wirken aber weit über den Energiesektor hinaus. Rosatom ist sowohl direkt als auch indirekt in den Krieg gegen die Ukraine verwickelt. So spielte der Konzern eine Schlüsselrolle bei der russischen Übernahme des Atomkraftwerks Saporischschja und hat sanktionierten russischen Rüstungsunternehmen angeboten, für sie Waffen zu beschaffen.
Trotzdem arbeitet die europäische Atomindustrie weiterhin eng mit Rosatom zusammen. So liefert Rosatom Uran an die Brennelementefabrik ANF in Lingen, eine Tochtergesellschaft von Framatome, und ist auch an der geplanten Erweiterung der Anlage beteiligt. Diese Geschäfte bedrohen die Sicherheitsinteressen von Deutschland und von Partnerstaaten wie der Ukraine und erweitern Russlands politischen Einfluss trotz des Krieges.“ (Zitat)
Das „ausgestrahlt magazin“ kann man für eine Spende beziehen. Ich finde, es informiert kompakt über den Kampf gegen den atomaren Wahnsinn. Das neue Heft beispielsweise informiert, „warum die Atom-Lobby auf Klimakonferenzen steht – und Atomkraft dem Klima mehr schadet als nützt.“ Mir nutzen diese gezielten Informationen mehr als das übliche politische Tagesgeschwätz, das unsere Medien nur allzu gerne verbreiten.
Ich gebe zu, dass ich seit 1967 oftmals müde geworden bin, mich mit diesen unerquicklichen Themen zu beschäftigen. Seit wir aber neuerdings eine Enkelin hüten dürfen, kann ich mich nicht zur Ruhe setzen. Ich frage mich, in welche Zukunft entlassen wir unsere Nachkommen?