Archiv für den Monat Juli 2023

Einfach das Richtige tun

Andacht zur Mitgliederversammlung 2023 des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (Difaem)

Losung des Tages: Gott hat mein Elend und meine Mühe angesehen. 1Mose 31,42

Paulus schreibt: Ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.  1Kor 15,58

Liebe Difaem-Gemeinde,

„Elend und Mühe“ finden wir reichlich, wenn wir den Jahresbericht  2022 „Gemeinsam für Gesundheit“ lesen. Zu den fast schon gewohnten Elends-Berichten aus Afrika kommen nun noch die Schreckensbilder aus dem russischen Krieg in der Ukraine. Da ist es schon eine heldenhafte Reaktion, trotz alledem die Zukunft „aktiv und mutig zu gestalten“. Vielleicht ist diese Aufgabe leichter, wenn wir uns bewusst machen, dass Gott unser Elend und unsere Mühe nicht nur teilnahmslos ansieht, sondern uns zur Seite steht.

Einer der ersten in der Bibel, der diese Erfahrung macht und dem wir diese Losung gewissermaßen verdanken, ist Jakob. Seine Geschichte allerdings mutet uns heutigen Menschen in Europa recht archaisch an. Was fangen wir an mit diesen Viehzüchtern und Kleinviehnomaden, mit diesen verfeindeten Clans und seltsamen Ehebräuchen.  Wer würde noch sieben Jahre arbeiten für eine Braut und sich dann die falsche unterschieben lassen? Was ist das überhaupt für eine Familie mit Polygamie und Nebenfrauen? So beginnt Thomas Mann seine Nacherzählung denn auch mit der berühmten Einleitung: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?“

Meine ehemaligen afrikanischen Studenten hatten allerdings damit kein Problem. Sie erzählten mir immer, dass ihre Kultur der altorientalischen sehr ähnlich sei. Sie seien darum mit dem Alten Testament vertrauter als wir „Westler“. Sie müssen nämlich noch immer schuften, um den Brautpreis aufzubringen, wenn sie heiraten wollen. Wie Jakob vom „Onkel“ Laban sind sie oft auch abhängig von der Macht eines Familienoberhaupts, dem sie sich nicht entziehen können. Sie würden verstehen, dass Gott auch durch Träume zu ihnen spricht. Er ist für sie keine blasse Idee, sondern bestimmt den Alltag mit.

Unsere Ehe- und Familienprobleme sind natürlich völlig anders als die in alttestamentlichen Zeiten. Aber ideal sind sie auch nicht. Die Nebenfrauen haben vielfach nur andere Namen. Und Gewalt gibt es zur Genüge.

Der jüngste Lagebericht zur häuslichen Gewalt in Deutschland zeigt eine erschreckende Tendenz. Demnach stieg die Zahl der erfassten Tatverdächtigen in den vergangenen fünf Jahren um elf Prozent auf 6587 Tatverdächtige im Jahr 2022. Von den Tatverdächtigen waren 91,7 Prozent männlich. Immer mehr Männer müssen ausziehen oder Abstand halten, weil sie ihrer Partnerin Gewalt angetan beziehungsweise angedroht haben.

Ich finde es aber auch für uns einen tröstlichen Glauben, dass unser Elend und unsere Mühe von Gott gewürdigt wird, selbst wenn wir keinen Erfolg verzeichnen können oder gar scheitern. Viele aufgeklärte Zeitgenossen können sehr genau die Probleme unserer Zeit analysieren, sie kennen die Daten und riesigen Aufgaben: Frieden, Hunger, Klimawandel etc. Aber dann finden sie es zwe cklos, sich zu engagieren. Es ändere ja doch nichts. Dann kommt das böse Wort vom Tropfen auf den heißen Stein.

Der Mehrwert des christlichen Glaubens besteht m.E. auch darin, dass wir uns nicht von der Statistik entmutigen lassen, sondern dem Gebot Gottes folgen. Das mag manchmal lauten: Einfach das Richtige und Notwendige tun.

Damit bin ich beim Apostel Paulus: Ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.  1Kor 15,58

Er nimmt hier den Mund ziemlich voll, wenn er von der Überwindung des Todes spricht. „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Gott aber sei Dank, dass er uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus.  Darum werdet fest, unerschütterlich und immer reicher im Werk des Herrn: Wisst ihr doch, dass eure Arbeit im Herrn nicht aussichtslos ist.“

Ich gebe zu: Nicht immer habe ich das Gefühl, zu den Siegern zu gehören. Uns wird ja auch ständig eingeredet, die Kirche sei auf dem absteigenden Ast. Da denke ich gern an meine Moravian Church in Tansania, die jeden Gottesdienst mit dem Ruf beendet: Mwanakondoo ameshinda. Tumfuate. „Das Lamm Gottes hat gesiegt. Lasst uns ihm folgen.“

Siehe Jahresbericht unter https://difaem.de/aktuelles/publikationen.html

„Für ihn ist Gott nicht queer“

Wer diese Überschrift setzt, kann sich einiger Leserbriefe sicher sein. Dabei hatte der langjährige Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion Volker Kauder in einer methodistischen Kirchengemeinde eigentlich vor allem über Christenverfolgung gesprochen. Auf diesem Gebiet hat sich der Politiker einige Verdienste erworben. Man muss auch zugeben, dass sich Freikirchen hier stärker als die Landeskirchen engagieren. Allerdings ziehe ich persönlich es vor, mich nicht isoliert nur für bedrängte Glaubensgenossen einzusetzen, sondern für Religionsfreiheit und Menschenrechte allgemein. Darunter fallen beispielsweise auch die ungeheuren Bedrohungen homosexuell orientierter Menschen nicht nur in Afrika und im Orient. In vielen Ländern werden sie wie in Russland einfach getötet oder eingekerkert.

Statt also diese Diskriminierungen anzuprangern, die gerade in Freikirchen oft geteilt werden, kritisierte Kauder die Abschlusspredigt des Kirchentags und verstieg sich zu der Aussage: „Die „Homoehe“, durch die es möglich wurde, dass in seiner Kirche ein Pfarrerehepaar gesegnet wurde, ist ihm ein Gräuel.“

Nun darf man natürlich solche Segnungen ablehnen, die immerhin eine Landessynode beschlossen hat. Aber mit diesem Schlagwort „Gräuel“, das bewusst oder unbewusst an ganz andere Verurteilungen des Alten Testaments erinnert, sollte ein verantwortlicher Politiker nicht die liebevollen Beziehungen von heutigen Menschen schmähen.

Solche Schmähungen, die sich im Internet bis zum blanken Hass steigern, kann wohl nur aussprechen, der abstrakt oder dogmatisch mit Homosexualität beschäftigt. Ich kenne mittlerweile viele Menschen, die ihre Vorurteile überwunden haben, weil sich ein Sohn oder eine Tochter entsprechend geoutet hast. Will man deren Zusammenleben mit einem gleichgeschlechtlichen Partner wirklich noch als Gräuel betrachten?

Ich kann mich gut erinnern, wie ich 1975 im Vikariat einige Jahre zusammen mit einem schwulen Kollegen in einem Team arbeitete. Seine Leidensgeschichte war erschütternd. Noch war ein „outing“ für ihn nicht möglich. Auch ich musste meine Moralvorstellungen vom Kopf auf die Füße stellen. Ich habe es nicht bereut.

Manchmal kann auch ein Buch helfen. So habe ich viel gelernt durch den Erfahrungsbericht einer Kollegin, die seit mehr als 25 Jahren in einer Frauenbeziehung lebt. Zunächst versteckt und leidend, nun aber offen und verheiratet.

Sibylle Biermann-Rau, Pfarrerin mit Frau – Eine (un)mögliche Geschichte, Wichern Verlag 2023.

Es ist erschütternd, wie lange sich auch die Evangelische Landeskirche Württemberg beteiligt hat an Distanz, Abwertung und Aggression.